Ihre Liebesbeziehung zu Marlene wird weitergehen, sagt Ute Lemper (Quelle: Getty Images)
Publication: Die Welt
By: Manuel Brug
Date: December 30,2020
Ute Lempers „Rendezvous with Marlene“ ist auf WELT kostenfrei im Stream zu erleben; am Silvesterabend ab 18 Uhr finden Sie hier den Film.
„Wenn ich mir was wünschen dürfte, wünschte ich mir Sichtbarkeit.“ So könnte man die Absicht von Ute Lemper mit einem Klassiker von Marlene Dietrichparaphrasieren. Das würde zugleich ihr jüngstes Projekt gut charakterisieren.
Es führt die beiden deutschen Stars zusammen. Denn Lemper hat aus dem Repertoire der Dietrich ein Bühnenprogramm und nun einen dichten Konzertfilm gemacht.
Auch Ute Lemper wurde natürlich durch Coronaausgebremst. Sonst jettet sie, die seit mehr als zwei Jahrzehnten in New York lebt, zwei- bis dreimal im Monat nach Europa, wie sie im Gespräch gleich bekennt. „Das will ich künftig aber nicht mehr in dieser Häufigkeit machen.“
Gegenwärtig wird auch sie in den Staaten festgehalten, nachdem sie im März in Brüssel aufgetreten war, dann aber alles absagte, um hastig nach Hause zurückzukehren.
„Nach Hause, das hört sich immer noch komisch an“, sagt sie. „Ich bin eher ähnlich unbehaust wie Marlene Dietrich.“ Von Münster nach Berlin, Wien, Paris, London und eben New York führte sie bisher der Weg.
Sie möchte durchaus mal wieder nach Deutschland zurückkehren, „dann, wenn die zwei jüngsten meiner vier Kinder aus der Schule sind, aber bis dahin muss ich als Ernährerin noch einiges nach Hause bringen“.
Bisher kein Problem, die 57-jährige Sängerin, Schauspielerin, Entertainerin ist viel gebucht. 2021 steht der 100. Geburtstag von Tango-Legende Astor Piazzolla an, da ist sie als versierte Sängerin seiner Werke gefragt. „Aber auch meine Love-Affair mit Marlene soll weitergehen.“
1921 trat die Dietrich erstmals, als Dritte von links, auf den Berliner Varietébühnen auf und tingelte anschließend durch Deutschland. Lemper will ihr Dietrich-Programm unbedingt fortsetzen, bei den großen Sommerfestivals, vom Rheingau bis Mecklenburg-Vorpommern, die ihre Konzerte verschieben mussten.
Doch schon vorher gibt es diese eigenwillige Mischung aus Chansons und Spielszenen, aus Ute und Marlene, Berlin, Hollywood, Paris als Konzertfilm zu sehen. Denn Ute Lemper hat auch im Covid-Sommer nicht gerastet.
Auch Lemper wurde in „Cabaret“ zum Star, 1987 in Paris. Sie schrieb damals eine Karte an die dort in ihrer Matratzengruft in der Rue Montaigne Nummer 12 lebende, aber mit dem Telefon weltweit kommunizierende Marlene Dietrich, mit der Lemper damals dauernd von der französischen Presse verglichen wurde. Dietrich rief interessiert zurück. Drei Stunden dauerte das Gespräch der beiden, das Ute Lemper tief prägte.
Aus der Musical-Actrice Ute Lemper wurde eine weltweit gefragte Entertainerin, die ihr Repertoire auf ebenjener Musik der Weimarer Republik aufbaute und Lieder der Emigranten, der als „entartet“ Verfemten und teilweise im Holocaust Ermordeten sang – mit ihrer mal schmeichelnden, bisweilen schneidenden Stimme.
Mit Marlene Dietrich, die 1992 in Paris starb, hat sie nie wieder gesprochen. Aber ihre Lieder begleiteten sie weiter. Dieses „Rendezvous“ ist langsam gewachsen.
Jetzt hat sie diese musikalische Fernbeziehung in einen ganzen Abend verwandelt, der die Dietrich als launisches Wundertier zeigt. An der Strippe hängend, mit Berliner Kodderschnauze, giftig, zärtlich, bitter, großzügig sich an ihr Leben und ihre Lieben erinnernd, an Männer wie Frauen.
„Eine unangepasste Diva der Zukunft, so sehe ich sie“, sagt Ute Lemper. „Und mit einem sentimentalen Heimwehgefühl nach Berlin, das sie dann erst mit Koffer beziehungsweise Coffin – also Sarg wieder betrat, nachdem man sie in den Sechzigern auf ihrer Konzerttournee als Vaterlandsverräterin geschmäht hatte.“
So wird sie auch von der Lemper interpretiert, aber zugleich als einsame Frau, verloren wie die Protagonistin in Cocteaus „Die geliebte Stimme“, die sich an die Telefonhörermuschel klammert und dann umso befreiter singt. Das muss man gehört und gesehen haben.
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