16 February 2019
Ute Lemper bekam als junge Schauspielerin einen Anruf von Hollywood-Ikone Marlene Dietrich – davon handelte ihr Programm in Kassel.
Wäre es nach Marlene Dietrich gegangen, dann hätte das Publikum im vollbesetzten Kasseler Opernhaus am Donnerstag nur ein Lied zu hören bekommen: Denn als der Star bei der Unicef Gala 1962 in Düsseldorf auftrat und das Programm mit „Sag mir, wo die Blumen sind“, eröffnete, war es zugleich ihr letzter Song des Abends. Nach diesem Lied, so die Dietrich, sei keines mehr gut genug.
Ute Lemper setzte das emotionale und politische Stück an den Anfang ihre Hommage an die Hollywood-Ikone. Doch danach ging es weiter – zur großen Freude des von Beginn an begeisterten Publikums, das fasziniert dem Gesang und der Geschichte von ihrem „Rendezvous with Marlene“ lauschte.
Dabei kroch Ute Lemper, die aus Münster stammt und selbst zum Musicalstar in Hollywood wurde, förmlich in die Haut der Dietrich – Schiefstellung der Mundwinkel beim Gesang inklusive. Sie erzählte von dem dreistündigen Anruf, den sie als junge Schauspielerin 1988 von der Legende, die damals 84 Jahre alt war und zurückgezogen in Paris lebte, erhielt. Marlene Dietrich hatte ihre junge Kollegin ausfindig gemacht und angerufen, um sich für ihre Post zu bedanken. Dann erzählte sie Lemper von ihrem Leben: Ihrer Ehe, ihren vielen Affären, ihrer Arbeit und ihrem Stil, ihrer Leidenschaft für Rilke, Edith Piaf und Burt Bacharach – und für Alkohol. Ihrer großen Liebe zum französischen Filmschauspieler Jean Gabin, ihrem komplizierten Verhältnis zu Deutschland. Man brauche nicht viel Hirn, um ein Anti-Nazi zu sein, hat die politische Marlene gesagt. Lemper wiederholt das Zitat mehrfach.
Dietrich tauschte Hitler-Deutschland gegen Hollywood. Es ging auch um ihre zerrütte Beziehung zur Tochter, ihre Trauer und Einsamkeit. Ein umfassendes, fast zärtliches Bild zeichnet Ute Lemper von dem Weltstar des deutschen Films („Der blaue Engel“), für den es keine Tabus gab. Und sie leiht ihr ihre Stimme, die sie tiefer und rauer klingen lässt, um der Ikone in der Zeitreise noch näher zu kommen.
Ihre Brillanz, Gefühl und Ausdrucksstärke sind groß – ab und an lässt die 55-Jährige auch erkennen, was für eine exzellente Jazz-Sängerin sie ist. Denn sie imitiert nicht ganz und gar. Ute Lemper, selbst eine selbstbewusste Frau und ein freier Geist, singt beeindruckend vielgestaltig und mit viel Gefühl für den richtigen Tonfall zu Atmosphäre und und Musik.
Zu den Liedern – von „Just A Gigolo“ über „Frage nicht, warum ich gehe“, „Lili Marleen“ bis „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, dosiert sie ihre Mittel. Sie weiß genau, wann sie die Stola fest und doch sinnlich an sich drückt, sich im großen Sessel zurücklehnt oder den Blick auf ihre endlos langen Beine unter dem eleganten Abendkleid freigibt. Sie ist stets präsent auf der Bühne, begleitet vom exzellenten bis bravourösem Bandspiel.
Mehr ein Monolog als ein Dialog sei das Telefonat gewesen, „Marlene wollte erzählen“. Und Lemper erzählt nun über die mutige Dietrich.
Am Ende des umjubelten Abends will man unbedingt noch mehr wissen – über beide Frauen. Doch: Mit dem Song, nach dem für Lemper kein Lied mehr gut genug ist, endet das Programm: „What The World Needs Now Is Love“.
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