Press : Kurt-Weill-Fest Ute Lemper und die Anhaltische Philharmonie begeistern

Gemeinsam mit der von Markus L. Frank (hinten) geleiteten Anhaltischen Philharmonie begeisterte Ute Lemper mit ihrem Lieder-Programm.
Foto: Gündel

Publication: Mitteldeutsche Zeitung
By: Andreas Montag
Date: 05.03.19

Dessau-Roßlau – Das erlebt man auch nicht so oft: Schon zum Ende des ersten Konzertteiles gibt es derart viel Applaus im Anhaltischen Theater, dass die Künstlerin ihr Publikum mit einer Zugabe in die Pause entlässt. Auf den Wandelgängen im Foyer und im Restaurant sieht und hört man dann überaus froh gestimmte Menschen – mit farbenfrohen Cocktails bewaffnet die einen, mit der rituellen Dessauer Theater-Bockwurst samt Kartoffelsalat die anderen. Ute Lemper, Weltstar und schon oft zu Gast beim Dessauer Kurt-Weill-Fest, hat die Menschen glücklich gemacht – und, wenn man so will, das zweite, überaus glanzvolle Eröffnungskonzert nach dem Festivalauftakt mit Dagmar Pecková am Freitagabend abgeliefert.

Gespräch beim Kaffee

Die Lemper ist dieses Mal nicht nur als Sängerin, sondern auch als Artist-in-Residence gefragt, spielt also noch eine besondere, prägende Rolle während des gesamten Festivals. Dazu gehört das Gespräch vor Publikum im Radission Blue Fürst Leopold Hotel in Dessau, launig moderiert vom Mit-Intendanten des Festivals, Gerhard Kämpfe.

Da sitzt man im ausgebuchten Saale bei Kaffee, Tee und Schwarzwälder Kirsch, aber es geht schon deutlich um mehr als nur „Aber bitte mit Sahne“. Ute Lemper, deren Weg, wie Kämpfe anmerkt, den des in Dessau Geborenen Kurt Weill nachvollzieht, findet wunderbar klare Worte. Auch wenn sie, anders als Weill, nicht aus existenzieller Not, sondern aus einer inneren, künstlerischen Notwendigkeit seit 20 Jahren in New York lebt.

Der deutsche Jude Kurt Weill musste seine Heimat verlassen, als das Land sein Heil in dem Antisemiten und selbst ernannten, von breiten Kreisen des deutschen Volkes ermächtigten „Führer“ Adolf Hitler sah. Lemper, früh international erfolgreich, ist zur Weltbürgerin geworden, die in Paris ebenso zu Hause ist wie in den USA. Und in Dessau, wo man ihr an diesem Sonntag einmal mehr zu Füßen liegt.

New York, sagt die Künstlerin, sei das Europa Amerikas: „Dort koexistieren Religionen und Ethnien selbstverständlich, niemand sieht so aus, niemand spricht so wie der andere.“ Und dies sei die Zukunft jeder Gesellschaft, „ob man das nun will oder nicht“.

Sonderbar, wie natürlich das hingenommen wird im Saale – als seien hier ausschließlich Menschen versammelt, die einverständig sind mit dem Gesagten. Vielleicht ist es ja so – vielleicht auch nicht. Aber Lempers Rede lehrt auch: Sage selbstbewusst, was Du denkst, Widerspruch wird sich schon melden.

Auf Donald Trump, den US-Präsidenten, ist Lemper nicht gut zu sprechen. Sie nennt ihn „primitiv und effizient – er macht Politik auf Kosten der Menschen“. Sie selbst, die Wahl-New-Yorkerin, hat keinen US-Pass, den sie haben könnte, sondern lebt mit einer Green Card in den Vereinigten Staaten. Aber lange genug, um mitreden zu dürfen. Einmal, vor zwei Jahrzehnten, erzählt sie, habe man sie vor einem Auftritt in Mailand zur Vorsicht in ihren politischen Äußerungen gemahnt, weil Silvio Berlusconi im Saal gesichtet worden war. Ihre Reaktion? „Jetzt gerade!“

Lemper spricht geradeaus, erst recht, wenn es um Nationalismus und Antisemitismus geht, die wieder gedeihen – „überall in Europa“. Dagegen setzt sie Haltung. Besser kann man den großen Künstler und Emigranten Kurt Weill nicht ehren.

Wie ein Schamane

Nach dem erfrischenden Kaffee – und vor dem großen Lemper-Konzert im Anhaltischen Theater lohnt sich ein Abstecker zur nahen Bauhaus-Bühne, dem fiesen Regen zum Trotz. Dort liest die Dichterin Nora Gomringer Manifeste, Programme und Texte zum Bauhaus und von Dada-Aktivisten. Günter „Baby“ Sommer trommelt und raunt wie ein Schamane dazu – nicht ohne einen Schuss Ironie, damit das Duett mit Gomringer nicht als esoterisches Weihefest missverstanden werden kann. Sehr schön und eine gute Einstimmung auf die zweieinhalb Stunden mit Lemper, Weill und Co., fabelhaft getragen von der Anhaltischen Philharmonie unter Leitung ihres Chefs Markus L. Frank.

Kompositionen von Weill (die Suite aus dem Wintermärchen „Der Silbersee“) und George Gershwin steuert das Orchester bei, bestens orientiert zwischen lyrischem Wohlklang und dem nötigen Groove. All That Jazz – auch bei Lemper, die neben Weill-Songs unter anderem ein Stück von Bob Dylan sowie „Cabaret“ singt. Hier ist das Publikum endgültig hin und weg. Am Ende stehende Ovationen für die Künstlerin und die Musiker. Hochverdient. (mz)

Das Festival im Internet: www.kurt-weill-fest.de

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