Publication: Basler Zeitung
By: Lukas Nussbaumer
Date: 07.01.2024
Die grosse Cabaret- und Chanson-Sängerin teilte sich am Samstag die Bühne mit dem Kammerorchester und den Basler Madrigalisten. Ein denkwürdiger Abend.
Vor über zehn Jahren war Ute Lemper zum letzten Mal im Stadtcasino zu Gast, damals zusammen mit dem Astor-Piazzolla-Sextett und Musik des argentinischen Tango-Meisters. Am Samstagabend stand sie nun, zusammen mit dem Kammerorchester und den Basler Madrigalisten, endlich wieder auf der Bühne des Musiksaals – und die Rückkehr war fast schon triumphal.
Vor dem grossen Auftritt Lempers spielte das Kammerorchester unter der Leitung des französischen Dirigenten Pierre Bleuse Richard Strauss’ gescheiterte Theatermusik «Der Bürger als Edelmann». Gescheitert deshalb, weil Strauss und sein langjähriger Librettist Hugo von Hofmannsthal ursprünglich eine neue Bühnenmusik zur Ballettkomödie Molières schrieben, diese jedoch keinen Anklang fand. Strauss aber liess nicht locker und arbeitete das Stück schliesslich doch noch erfolgreich in eine Orchestersuite um.
Die Musikerinnen und Musiker des Kammerorchesters Basel spielten «gescheiterte» Theatermusik.
Foto: Matthias Müller
Entsprechend dem barocken Vorbild – die ursprüngliche Musik zu Molières Komödie hatte Jean-Baptiste Lully geschrieben –, ist auch Strauss’ Suite eindeutig im Barock verwurzelt, der deutsche Komponist erweitert die Klangsprache aber durch spätromantische und moderne Harmonien, Satztechniken und Klangeffekte stark. Die Musik ist untypisch für Strauss – oft klingt sie leicht, bunt und humorvoll. Letzteres arbeiteten Bleuse und das Kammerorchester gut heraus. Der Dirigent bewegte sich tänzerisch und teilweise theatralisch mit der Musik und wirkte so fast selbst wie der Edelmann im Stück. In verschiedenen Solo-Passagen – besonders eindrücklich Geige, Cello und Fagott – konnten die Musikerinnen und Musiker ihr technisches Können beweisen.
Stadtcasino-Publikum verlangte drei Zugaben
Darauf betrat Lemper, zusammen mit den Basler Madrigalisten, die Bühne. Mit den «Sieben Todsünden» von Kurt Weill und Bertolt Brecht brachte sie eines ihrer Lieblingsstücke mit, das sie vor 40 Jahren in Berlin zum ersten Mal einstudierte. Dass Lemper die Musik bis in die letzten Feinheiten verinnerlicht hat, war nicht zu überhören – mit grosser Überzeugungskraft und ihrer unvergleichlichen Stimmgewalt sang sie Brechts satirischen Kommentar auf die religiöse Moral. Der klassisch-kirchliche Vortrag der Madrigalisten traf den ironischen Geist des Stücks perfekt, und so kamen Witz und Schärfe wunderbar zur Geltung.
Nach der Pause präsentierte Lemper dann ein orchestriertes Medley bekannter Cabaret-Stücke aus der Weimarer Republik, die sie durch gesprochene Intermezzi in Bezug zur heutigen Zeit setzte. Damit machte sie deutlich, dass viele Anliegen, für die vor hundert Jahren gekämpft wurde – Gleichstellung, Meinungsfreiheit, Minderheitsrechte –, heute noch genauso aktuell sind wie damals. Lieder wie «Raus mit den Männern» von Friedrich Holländer, «Mackie Messer» von Kurt Weill oder «Alles Schwindel» von Mischa Spoliansky sind nicht nur gesellschaftspolitisch relevant, sondern textlich und musikalisch einfach grossartig geschrieben. Und authentischer als Lemper trägt sie vermutlich niemand vor.
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